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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.09.2007
Aktenzeichen: 20 W 19/07
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, PStG


Vorschriften:

BGB § 1617 c
EGBGB Art. 10 Abs. 2
EGBGB Art. 10 Abs. 3
PStG § 49 Abs. 1 S. 1
PStG § 49 Abs. 1 S. 2
Haben die damals noch nicht miteinander verheirateten Eltern nach der Geburt des Kindes bereits eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB getroffen und den Familiennamen des Kindes nach dem ausländischen Recht eines Staates bestimmt, dem ein Elternteil angehört, so können sie nach ihrer späteren Eheschließung und einer hierbei gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 EGBGB getroffenen Wahl des deutschen Rechtes sowie der hierauf beruhenden Bestimmung eines Ehenamens für den künftig zu führenden Familiennamen des Kindes erneut eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB treffen und durch die Wahl des deutschen Rechtes in Anwendung des § 1617 c Abs. 1 BGB die Erstreckung des Ehenamens auf den Geburtsnamen des Kindes erreichen.
Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1), ein spanischer Staatsangehöriger, und die Beteiligte zu 2), eine deutsche Staatsangehörige, sind Eltern der am ... 2004 geborenen Beteiligten zu 3) und 4). Nach Anerkennung der Vaterschaft durch den Beteiligten zu 1) und Abgabe einer Erklärung durch die Beteiligten zu 1) und 2), wonach für die Namensführung der Kinder spanisches Recht gewählt und als deren Geburtsnamen ein zusammengesetzter Name aus dem ersten Familienname des Beteiligten zu 1) und dem Familiennamen der Beteiligten zu 2), die zu diesem Zeitpunkt noch ihren Geburtsnamen "A" führte, gewählt wurde, beurkundete der Standesbeamte in O1 am 05.05.2004 die Geburt der Beteiligten zu 3) und 4) und vermerkte in den Geburtenbüchern, dass die beiden Kinder jeweils den Familiennamen "B A" führen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) schlossen am ... 2005 vor dem Standesbeamten in O2 die Ehe, wählten für ihre Namensführung deutsches Recht und bestimmten den Geburtsnamen des Beteiligten zu 1) "B C" zu ihrem Ehenamen. Am 04. Oktober 2005 erklärten die Beteiligten zu 1) und 2) in öffentlich beglaubigter Form gegenüber der Standesbeamtin des Standesamtes O2 nachträglich, für die Geburtsnamen der Beteiligten zu 3) und 4) als ihrer Kinder deutsches Recht zu wählen und den zwischenzeitlich zu ihrem Ehenamen bestimmten Familiennamen des Beteiligten zu 1) "B C" zum Geburtsnamen der Kinder zu bestimmen.

Nach Mitteilung dieser Erklärungen zur Namensbestimmung der Kinder vom 04. Oktober 2005 sah sich der Standesbeamte an der diesbezüglichen Fortschreibung der Geburtseinträge betreffend die Beteiligten zu 3) und 4) im Geburtenbuch gehindert, da er im Hinblick auf die bereits am 05. Mai 2004 getroffene Rechtswahl Zweifel an der Wirksamkeit der Namensänderung des Geburtsnamens der Kinder hatte.

Nachdem der Beteiligte zu 5) die diesbezügliche Zweifelsvorlage des Standesbeamten in O1 vorgelegt und den Beitritt zum Verfahren erklärt hatte, wies das Amtsgericht Gießen den Standesbeamten in O1 mit Beschluss vom 08. August 2006 an, in den dort geführten Geburtenbüchern Nr. ... und .../2004 keinen Randvermerk beizuschreiben, wonach das jeweilige Kind die Ehenamen der Kindeseltern "B C" erhalten habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beteiligten zu 1) und 2) als Kindeseltern seien wegen der Bindungswirkung der bereits am 05. Mai 2004 erfolgten Rechtswahl daran gehindert, für den Namen der Kinder nach ihrer Eheschließung eine neuerliche Rechtswahl zu treffen, so dass sich der nach deutschem Recht gewählte Ehename der Beteiligten zu 1) und 2) nicht auf den Geburtsnamen der Kinder erstrecken könne.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 5) wies das Landgericht mit Beschluss vom 11. Dezember 2006 zurück, mit welchem es sich der Rechtsauffassung des Amtsgerichts anschloss und ergänzend ausführte, die wirksam getroffene Wahl spanischen Rechts für den Namen der Kinder sei bindend, so dass sich die Auswirkungen eines durch eine nachträgliche Eheschließung oder anderweitig erfolgten Namenswechsels der Eltern ausschließlich nach spanischem Recht beurteile, welches gerade keine automatische Erstreckung des Ehenamens der Eltern auf den Geburtsnamen der Kinder kenne. Damit sei den Kindeseltern eine nachträgliche andere Rechtswahl für die Namensführung ihrer Kinder, die wegen eines etwaigen Irrtums über die Bindungswirkung dieser Rechtswahl auch nicht angefochten werden könne, verwehrt, so dass eine Namensangleichung nur durch das dem deutschen NamensändG vergleichbare behördliches Namensänderungsverfahren vor dem spanischen Justizministerium oder einem dortigen Gericht möglich sei.

Gegen diesen Beschluss des Landgerichts hat der Beteiligte zu 5) sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit welcher er eine obergerichtliche Klärung der zugrundeliegenden Rechtsfrage im Interesse einer geordneten Amtsführung erstrebt.

II. Das Rechtsmittel ist als weitere Beschwerde statthaft. Da das Amtsgericht den Standesbeamten auf die Zweifelsvorlage angehalten hat, gerade keinen Randvermerk bei den Geburtseinträgen der Beteiligten zu 3) und 4) in den geführten Geburtenbüchern einzutragen, wurde erstinstanzlich weder die Vornahme einer Amtshandlung noch die Berichtigung eines Personenstandsbuches angeordnet, so dass die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG nicht erfüllt sind. Entgegen der Annahme des Landgerichts handelte es sich somit bei der Erstbeschwerde bereits nicht um eine sofortige Beschwerde, sondern um eine nicht fristgebundene einfache Beschwerde nach § 49 Abs. 1 Satz 2 PStG, gegen deren Zurückweisung nach §§ 48 Abs. 1 PStG, 27 Abs. 1 FGG die weitere Beschwerde eröffnet ist. Diese weitere Beschwerde ist zulässig, da sie formgerecht eingelegt wurde und die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 5) als Standesamtsaufsicht unabhängig von einer Beschwer gemäß § 49 Abs. 2 PStG gegeben ist.

Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 48 Abs. 1 PStG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen konnten die Beteiligten zu 1) und 2) nach ihrer Eheschließung bezüglich des Geburtsnamens ihrer beiden Söhne eine erneute Rechtswahl zum deutschen Recht treffen und so die Erstreckung des von ihnen nach der Eheschließung zum Ehenamen bestimmten Geburtsnamens des Beteiligten zu 1) auf den Geburtsnamen der beiden Kinder erreichen.

Allerdings sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit dem Beteiligten zu 1) verheiratete Beteiligte zu 2) als alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge in Anwendung deutschen Rechtes nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB i. V. m. § 1626 a Abs. 2 BGB mit Zustimmung des Beteiligten zu 1) für den Namen der Kinder wirksam spanisches Recht gewählt hat, wonach diese gemäß Art. 109 des spanischen C.c. den aus den (ersten) Familiennamen beider Eltern zusammengesetzten Geburtsnamen B A erhielten (vgl. Bergmann/ Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Spanien, S. 42).

Die nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB im Zusammenhang mit dem Geburtseintrag getroffene Rechtswahl führte dazu, dass für das Namensstatut der Kinder spanisches Recht gilt, welches damit auch für die Frage der Erstreckung des Ehenamens auf den Namen der Kinder maßgeblich ist (vgl. BayObLG StAZ 1993, 387; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1990, 772; Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, Bd. II, Rn. V 804; MüKomm/Birk, BGB, 4. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 136; Palandt/Heldrich, BGB, 66. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 23).

Zutreffend sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, dass nach spanischem Recht die Ehegatten keinen (gemeinsamen) Ehenamen führen, sondern jeder Ehegatte seinen bisherigen Namen behält - unbeschadet der Möglichkeit der Führung des Namens des Mannes als sog. "Gebrauchsnamen" durch die Ehefrau ohne rechtliche Auswirkungen auf den Geburtsnamen (vgl. Hepting/ Bauer, spanische Doppelnamen im deutschen Namensrecht, IPRax 2000, 394/395) - , so dass das spanische Recht auch keine Erstreckung eines Ehenamens auf den Familienamen des Kindes, wie dies im deutschen Recht in § 1617 c BGB vorgesehen ist, kennt.

Nach Auffassung des Senats erfolgt im vorliegenden Falle auch keine automatische Erstreckung des von den Beteiligten zu 1) und 2) bei der Eheschließung nach Wahl des deutschen Rechtes gewählten Ehenamens nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 EGBGB in Verbindung mit § 1617 c BGB. Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ist für die Auswirkungen der Wahl des Ehenamens auf den Namen eines Kindes § 1617 c BGB sinngemäß anzuwenden. Der Sinn dieser Verweisung ist auch nach der Änderung des Art. 10 BGB durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz -KindRG- vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) zum 01. Juli 1998, mit welchem insbesondere die unterschiedlichen Regelungen des Familiennamens ehelicher und nichtehelicher Kinder abgeschafft wurden, weiterhin umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Art. 10 Abs. 2 Satz 3 EGBGB führe in allen Fällen der Rechtswahl zur Anwendung des § 1617 c BGB (bzw. vor dem KindRG § 1616 a BGB a. F.), so dass die Namenserstreckung von der Anwendbarkeit des deutschen Rechtes unabhängig sei und § 1617 c BGB auch bei der Wahl ausländischen Rechtes oder für Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Namensstatut gelte (so: Sturm, StAZ 1994, 370/372; Palandt/Heldrich, a.a.O., Art. 10 EGBGB Rn. 18; offen gelassen von BayObLG StAZ 1998, 284). Zur Begründung hierfür wird insbesondere ausgeführt, für Kinder mit deutschem Namensstatut sei die Vorschrift überflüssig, da für diese ohnehin § 1617 c BGB unmittelbar gelte. Nach anderer Auffassung soll Art. 10 Abs. 2 Satz 3 EGBGB nur eine klarstellende Verweisung beinhalten, so dass § 1617 c BGB nur anzuwenden sei, wenn das Namensstatut des Kindes deutsches Recht ist (so: Wagenitz/Bornhofen, FamnamRG 1994, Art. 10 EGBGB Rn. 29; Staudinger/Hepting, BGB, 2000, Art. 10 EGBGB Rn. 308; Henrich IPRax 1994, 178; Kraus, StAZ 2002, 176/177; Henrich/Wagenitz/Bornhofen, Deutsches Namensrecht, C Rn. 152). Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Gesetzgeber eine derart weitreichende und international zwingende Erstreckung der Regelung des § 1617 c BGB einschließlich der dort vorgesehenen Differenzierung bezüglich der einzelnen Altersstufen des Kindes beabsichtigt hatte, die unabhängig vom Willen der Eltern für Kinder bis zum Alter von fünf Jahren eine zwingende Erstreckung des nach Art. 10 Abs. 2 EGBGB von den Eltern gewählten Ehenamens zur Folge hätte.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen haben die Eltern jedoch die Möglichkeit, nach einer gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 EGBGB getroffenen Rechtswahl und hierauf beruhenden Bestimmung eines Ehenamens für den künftig zu führenden Familiennamen der Kinder erneut eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB zu treffen und durch die Wahl des deutschen Rechtes § 1617 c Abs. 1 BGB zur Anwendung zu bringen. Nach der Neufassung des Art. 10 EGBGB durch das KindRG zum 01. Juli 1989 ist eine Rechtswahl durch die Inhaber der elterlichen Sorge bezüglich des für den Familiennamen des Kindes maßgeblichen Rechts zeitlich auch noch nach der Geburtsbeurkundung des Kindes möglich. Art. 10 Abs. 3 EGBGB trifft keine ausdrückliche Regelung darüber, ob eine mehrmalige Rechtswahl zulässig ist. Der Senat vermag sich insoweit der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung, die anlässlich der Beurkundung der Geburten der Kinder wirksam getroffene Rechtswahl sei für die Zukunft bindend und ohne Statutenwechsel unabänderlich (so auch: Palandt/Heldrich, a.a.O., Art. 10 EGBGB Rn. 22/23; MünchKomm/Birk, a.a.O., Art. 10 EGBGB Rn. 116) nicht anzuschließen. Zwar ist von einer grundsätzlichen Bindung der einmal getroffenen Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB auszugehen. Nach Auffassung des Senates ist jedoch ausnahmsweise eine erneute Rechtswahl auch dann zuzulassen, wenn Änderungen eingetreten sind, die dies nach Sinn und Zweck der Einräumung der Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB geboten erscheinen lassen. Durch die Regelung des Art. 10 Abs. 3 EGBGB in der Fassung des KindRG sollte dem Kind eine Namensführung ermöglicht werden, die sowohl dem sozialen Umfeld als auch der konkreten Familiensituation entspricht. Tritt in diesem Bereich eine relevante Änderung ein, so erachtet der Senat es für gerechtfertigt und geboten, eine erneute Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB zum Zwecke der Änderung oder Anpassung der Namensführung des Kindes zuzulassen (vgl. Hepting StAZ 1998, 133/140/145; Kraus StAZ 2006, 81; Krömer StAZ 1999, 46/47). Im vorliegenden Falle ist eine solche relevante Veränderung in der Familiensituation durch die Eheschließung der Eltern und die hierdurch veranlasste Rechtswahl und Wahl eines gemeinsamen Ehenamens eingetreten. Das hiermit einhergehende Anliegen der Eltern, diesen Ehenamen auch den Kindern als Familiennamen zu erteilen, steht im Einklang mit den gesetzgeberischen Motiven, die zur Ausgestaltung der Rechtswahl des Art. 10 Abs. 3 EGBGB durch das KindRG geführt haben. Denn hierdurch wird die in aller Regel dem Wohl des Kindes dienende Möglichkeit geschaffen, die Eingliederung in die Familie durch die Führung eines einheitlichen Familiennamens für das soziale Umfeld sichtbar nach außen zum Ausdruck zu bringen. Diese stellt zugleich einen sachlichen Grund dar, von dem ohnehin weitgehend aufgelockerten Grundsatz der Namenskontinuität abzuweichen. Durch diese Auslegung des Art. 10 Abs. 3 EGBGB wird zugleich sichergestellt, dass nach der Bestimmung eines Ehenamens eine Änderung des Familiennamens der Kinder nur dann erfolgt, wenn die Inhaber der elterlichen Sorge dies unter Abwägung der konkreten Familiensituation für angebracht halten und deshalb eine erneute Rechtswahl zur Neubestimmung des Familiennamens der Kinder vornehmen (so auch Henrich/Wagenitz/Bornhofen, deutsches Namensrecht, C Rn. 152).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze konnten die Beteiligten zu 1) und 2) somit nach ihrer Eheschließung und der hierdurch veranlassten Rechtswahl und Bestimmung des Ehenamens mit ihren Erklärungen vom 05. Mai 2006 nochmals eine Rechtswahl für die Namensführung der Beteiligten zu 3) und 4) als ihren gemeinsamen Kindern zum deutschen Recht vornehmen. Da die Beteiligten zu 3) und 4) das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, hatte dies gemäß § 1617 c Abs. 1 Satz 1 BGB zur Folge, dass sich ab dem Zeitpunkt dieser Rechtswahl der gewählte Ehenamen auf den Geburtsnamen der beiden Kinder erstreckt. Unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen war der Standesbeamte deshalb anzuweisen, die Änderungen des Familiennamens der Kinder im Geburtenbuch zu vermerken.

Ende der Entscheidung

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